Eine grobe Analyse mehrerer Ideen zeigte zwei Probleme auf: Zum einen fehlte es an detaillierter Marktkenntnis, zum anderen war nicht klar, ob die Services in dieser Form von den Kunden angenommen werden würden. Beide Dinge lassen sich natürlich nach und nach durch detaillierte Marktanalysen, einer guten Produktentwicklung und Prototypen klären, dies hätte jedoch zu hohen Aufwänden geführt und dennoch die Risiken des Vorhabens nicht hinreichend reduzieren können. Daher wurde eine Strategie verfolgt, die sich mit den folgenden drei Schlagwörter umreißen lässt und die im Folgenden beschrieben wird:
1. Start very small
Konzentration auf einfache Services zu Beginn, später können innovative Services folgen.
2. Be in Business
Ein schneller Start, um die Branche kennenzulernen.
3. Start lean
Experimente schnell auf den Markt bringen und das Kundenfeedback nutzen, um Services an Bedürfnisse anzupassen.
Es war in diesem Fall erst einmal erforderlich, bestimmte Services wegzulassen, auch wenn dies nicht die Methodik von Lean Sturtup ist. Denn mit ihr können ohne großen Aufwand auch eine Reihe von Services bzw. Produkten auf den Markt gebracht werden. In diesem Fall wäre der Aufwand jedoch um ein Vielfaches höher gewesen. Außerdem wurde die Zielgruppe stark eingeschränkt, die geplanten Services nur regional angeboten und zu Beginn gar auf eine aufwändige Website verzichtet.
"To be in Business" hört sich womöglich etwas trivial an bzw. ist ja ein Grundprinzip des Lean Startup Approach. Es ging hier aber um mehr. In vielen Diskussionen war klar, dass die geplante Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen und Abnehmern schwer einschätzbar ist. In der Startphase ging es also nicht nur um Kunden, sondern auch um den Aufbau eines Netzwerks zu Firmen aus der Recyclingbranche. Außerdem wird häufig vergessen: Nur wer im Markt ist und diesen versteht ist auch in der Lage, sein Produkt bzw. Service weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch, Rückschläge hinzunehmen. Gerade in der Phase, in der Services nicht funktionieren, erkennt man die Möglichkeiten, diese weiterzuentwickeln oder sieht gar neue Optionen, die man beim Erstellen des initialen Businessplans noch gar nicht kannte. Es ist erfolgsversprechender "im Business" zu sein als nur über das Business zu sprechen oder nachzudenken.
Zwar kann aktuell noch nicht bewertet werden, wie erfolgreich sich das Business von Reuse-Recycle weiterentwickeln wird, jedoch geht es Schritt für Schritt voran und erste Aufträge von Geschäftskunden konnten gewonnen werden. Die Methode "Lean Startup" war jedoch der richtige Weg. Dadurch wurden Fehlentwicklungen vermieden und die iterative Vorgehensweise ermöglichte dem Team das Startup im jeweils passenden Tempo voranzutreiben. Außerdem hat das Kundenfeedback heute schon einige der Services von Reuse-Recycle komplett verändert. Wollen beispielweise Kunden ihre Festplatten löschen lassen, so sendet Reuse-Recycle inzwischen eine Box inklusive Rücksendeschein. Auch in der Zusammenarbeit mit Sammelpartnern bei Unternehmen und Vereinen haben diese als Kunden maßgeblich bei der Gestaltung und Größe der Sammelbox mitgearbeitet. So wird in relativ kleinen Kartons und nicht in Gitterboxen gesammt und die Sammelaktionen gehen nicht mehr wie ursprünglich über vier Wochen, sondern die Sammelboxen bleiben das ganze Jahr aufgestellt.
Lean Startup hilft also durch einen schnellen Prototypen der wichtigsten Features schnell am Markt bekannt zu werden und bereits erste Umsätze zu realisieren, es minimiert Risiken und hilft durch die Reaktion der Kunden und deren Einbindung die Produkte und Services iterativ zu verbessern.
Die Methode ist somit nicht nur für Start-ups sondern auch für Unternehmen oder Bereiche anwendbar und lässt sich wunderbar mit agilen Methoden verknüpfen.