1. Den Verkäufer nicht unterschätzen

Projektleiter und Manager bereiten sich meist auf die Verhandlungen vor, indem sie sich in das Projekt und die fachliche Themen vertiefen. Den Verkäufer kennen sie bereits vom Pitch und haben ihn als sehr freundlichen Zeitgenossen in Erinnerung. Und dann das – in der Verhandlung dreht der Verkäufer auf, möchte gleich zu Beginn Themen ausgrenzen, erkennt jede Schwachstelle und sagt Dinge wie "selbst Ihre Leute haben mir schon gesagt…". Nun, er ist zum einen gut vorbereitet und argumentieren und Kunden überzeugen sind sein tägliches Geschäft (selbst Ihr Einkauf verhandelt nicht so häufig). Verkäufer haben die Erfahrung vieler Verhandlungen, teils bis in die späten Abendstunden, inklusiver Abbrüche, sie sind meist gut ausgebildet und setzen ihr Handwerk von einstudierten Kosten-Nutzen-Argumenten und Einwand-Techniken bis hin zur Manipulation gekonnt ein.

Daher ist es wichtig, sich präzise vorzubereiten und wie im Folgenden beschrieben sich in die Welt des Verkäufers hineinzudenken!

2. Verhandlungsteam bestimmen (no tourists)

Planen Sie, wer auf Ihrer Seite dabei sein muss und wer auf Abruf bereitstehen muss. Wir empfehlen folgende Rollen:

  • Verhandlungsführer: Er gibt die Agenda, Spielregeln und Richtung vor und kann die Verhandlung abbrechen. Ihn kann es nur einmal geben!
  • Protokollführer: Er dokumentiert, stellt Verständnisfragen und fasst zusammen.
  • Beobachter: Er beobachtet, liest zwischen den Zeilen, gibt Hinweise an den Verhandlungsführer.

Klären Sie nun, wer welche Rolle übernimmt und gehen Sie auf Stärken und Schwächen ein. Klären Sie auch, wer auf Providerseite erwartet wird. Fragen Sie sich auch, wie die Gegenseite Sie sieht – wer ist Unterstützer, wer wird als Gegner wahrgenommen.

Experten, die zur Klärung spezieller Themen benötigt werden, sollten auf Abruf bereitstehen, um im Bedarfsfall kurzfristig in die Verhandlung hereingerufen werden zu können. Sie sollten nach Abschluss des Themas die Verhandlung wieder verlassen.

No tourists – vermeiden Sie, dass Personen ohne Aufgabe herumsitzen. Argumente und Strategie müssen mit allen Beteiligten zuvor abgestimmt sein. Im Unterschied zu den initialen Provider Sessions, in denen die Provider häufig das ganze Team vorstellen, sollte während den weiteren Verhandlungen das Verhandlungsteam von beiden Seiten auf ein Minimum reduziert werden. Kommunizieren Sie dies auch an die Provider.

Auch eine Teilnahme von Vorgesetzten der Projektleitung oder der Einkäufer ist fraglich – nicht selten führt eine aus zeitlichen Gründen nicht ausreichend durchgeführte Abstimmung zu Problemen während der Verhandlung.

3. Die Organisation von Verhandlungen ist meist aufwendig

Eine gut organisierte Verhandlung zeigt Ihre Professionalität und beeinflusst die Verhandlungen positiv. Unterschätzen Sie den Punkt nicht und delegieren Sie diesen wenn möglich.

Buchen Sie den Raum schon eine Stunde vor dem Eintreffen der Provider, um sich vorzubereiten, denn durch die gemeinsame Anreise sind die Teams meist sehr gut auf den Termin vorbereitet und eingestimmt. Stehen Räume für Personen, die auf Abruf stehen, bereit? Gibt es einen Raum, den die Provider bei einer Auszeit aufsuchen können? Wenn Sie mit mehreren Provider verhandeln, so sollten Sie daran denken, einen zweiten Raum in einem anderen Gebäude oder Stockwerk zu buchen. Sind die Provider angemeldet? Wer holt sie am Empfang ab? Sind Unterlagen gedruckt? Gibt es eine Betriebsführung? Und so weiter. Sie sehen, es gibt viel zu tun.

4. Klare Agenda und Vorgehensweise kommunizieren

Kommunizieren Sie bereits vor dem Termin die Spielregeln und die geplante Vorgehensweise. Wichtig ist, dass die jeweiligen Verhandlungsteams mit Kompetenzen ausgestattet sind, um Kompromisse verhandeln zu können. Alle Punkte werden während der Verhandlung gelöst und nicht auf weitere Verhandlungsrunden verschoben.

Sie benötigen eine klare Vorgehensweise zur Dokumentation. In unserem Vorgehensmodell arbeiten wir mit einem Dokument, welches die Anforderungen des Kunden enthält und vom Provider vor der jeweiligen Verhandlung bereits durchgearbeitet ist. Hier hat er seine Zustimmung oder Ablehnung dokumentiert. In genau diesem Dokument werden nun auch die Ergebnisse der Verhandlungen festgehalten. Dies erleichtert den Prozess und ermöglicht eine nachvollziehbare Entscheidungsfindung der jeweiligen Punkte.

5. Ziele definieren

Definieren Sie vorab die Zielvorstellungen. Was wäre ideal? Besprechen Sie dieses Ziel im Team. Gibt es Nebenziele, d.h. Ziele von denen Sie im äußersten Fall auch abrücken könnten? Und was ist das Minimalziel, also der Punkt bei dem Sie die Verhandlungen unterbrechen oder gar abbrechen können? Gerade dieser Rahmen hilft Ihnen in chaotischen Verhandlungen die Kontrolle zu behalten. Ziele sollen dabei allerdings nicht dazu führen, unflexibel zu sein. Sie helfen Ihnen aber immer zu wissen, wo Sie gerade stehen.

6. Vordenken hilft: Argumente und Gegenargumente

Wie schon beschrieben sind Verkäufer sehr gut darin, Einwände zu platzieren und Ihre Argumente zu entkräften. Daher macht es durchaus Sinn, sich mit diesen Einwandtechniken zu beschäftigen und diese durchzuspielen. So können Sie im Team die Verhandlung vorbereiten und sowohl Ihre als auch die Argumente der Gegenseite durchzuspielen und jeweils Gegenargumente sammeln.

Um die Argumente zu finden und vorzudenken, hilft Ihnen die Leistungsdifferenzierung. Beispielweise könnten Sie prüfen: Welchen Ansatz hat der Provider gewählt? Welche Qualität liefert er? Wie ist die Verfügbarkeit guter Ressourcen? Bietet der Provider zusätzlichen Nutzen? Fragen Sie sich dann: Was würde ich in seiner Situation tun? Wie wird er wohl argumentieren? Wo sind seine Grenzen? Wo wird er entgegenkommen? Wo sieht er sich zum Wettbewerb vorn?

Notieren Sie die Argumente im Team und bereiten Sie Argumentationsketten vor, dies wird Ihnen in der Verhandlung weiterhelfen.

7. Verhandlungsmasse erstellen

Während Sie Ihre Nebenziele nur im Notfall aufgeben, ist die Verhandlungsmasse dazu da, mit ihr zu handeln. So können Sie beispielsweise Fristen und Pflichten vom Provider fordern, die Sie in dieser Schärfe nicht benötigen, die Menge erhöhen oder die Vertragslaufzeit verlängern.

Erstellen Sie eine Liste und kategorisieren diese in Tauschobjekte (nice-to-haves) und Geschenke (sacrificial targets). Tauschobjekte können Sie einbauen, um diese dann für eine Gegenleistung einzutauschen. Geschenke sind dazu da, die Verhandlung in Schwung zu halten und Abschlusszugeständnisse zu machen.

8. Fachbereiche und Einkauf müssen abgestimmt sein

Die Einbindung des Einkaufs ist je nach Kunde recht unterschiedlich, wir plädieren für eine enge Kommunikation und Abstimmung von Anfang an (die Provider Long List ist das erste gemeinsame Werk). Laut unserem Vorgehensmodell verhandelt der Fachbereich inhaltliche Themen auch schon einmal ohne Einkauf (kommerzielle Themen sind dann ausgeschlossen). Gerade dann ist es wichtig, eine saubere Übergabe der Punkte hinzubekommen: Wie ist die Bewertung des Fachbereichs, was sind die offenen Punkte, wo entstehen Mehrkosten, gibt es Verhandlungsmasse.

Nicht selten haben Kunden mit den jeweiligen Key Accounts der Lieferanten einen engeren Kontakt als mit dem Einkauf. Das darf nicht sein. Sie müssen intern gut abgestimmt sein und als Einheit auf Ihrer Seite des Tisches auftreten.

9. Strategie festlegen

Welche Strategie verfolgen Sie mit den jeweiligen Providern? Ist ein Kompromiss nötig oder können Sie Ihre Positionen durchsetzen? Gibt es einen Plan B? Besprechen Sie die Punkte ggf. vorab mit dem Management und vor der Verhandlung mit allen Teilnehmern auf Ihrer Seite.

10. Taktik festlegen

Legen Sie dann die passende Taktik für Plan A fest: Wie steigen wir ein? Sind wir offensiv? Was ist eine sinnvolle Reihenfolge der Themen? Was sind Argumentationsketten und wer bringt diese ein? Sie sollten es aber nicht übertreiben und das Team nicht überfordern. Die Umsetzung der Taktik muss glaubwürdig sein und zu Ihnen passen.

11. Den richtigen Einstieg finden

Der Kaffee steht auf dem Tisch, die Unterlagen liegen bereit, es kann losgehen. Und nach einem lockeren Gesprächseinstieg (durchaus wichtig) passiert der größte Fehler: Der Verkäufer redet und redet. Aber eigentlich müssten nun Sie sich oder Ihr Verhandlungsführer in dieser Phase positionieren. Dabei ist der Einstieg ja gar nicht schwierig: Vorstellung der Teilnehmer, Ziele, Agenda, Spielregeln. Und schon haben Sie die Rolle gefunden. Sie sind ja auch im Vorteil, letztlich sind Sie der Kunde.

12. Ergebnisse direkt festhalten

Nehmen Sie sich immer direkt die Zeit, die Ergebnisse festzuhalten. Die Verhandlungen sind meist recht intensiv und die Zeit, während der Schriftführer die Zeilen formuliert, sind angenehme Kurz-Pausen. Wichtig ist, dass dann alle Teilnehmer die Formulierung nochmals prüfen und zustimmen. Eine so beschlossene Sache wird nicht erneut diskutiert und verhandelt!

13. Auszeiten zu nehmen ist nicht unhöflich

Manchmal läuft die Verhandlung in eine ungewollte Richtung. Vermeiden Sie dann, parallel zu chatten oder zu sprechen. Klären Sie die Dinge lieber unter sich und bitten dazu den Provider um eine kurze Auszeit. Dies kann auch aus taktischen Gründen Sinn machen und wird immer kurz mit dem Verhandlungsführer abgestimmt und von ihm verkündet. Idealerweise haben Sie hierzu einen Raum oder eine Sitzgelegenheit in der Nähe reserviert.

14. Vertrauensverhältnis aufbauen

Manchmal scheint es, als würden all die Vertragstexte die Menschen zu Pessimisten machen. Vergessen Sie aber nicht, dass Verhandlungen auch eine gute Möglichkeit sind, ein Vertrauensverhältnis mit dem Lieferanten aufzubauen. Sie können noch so wasserdichte Verträge aushandeln, wenn es im späteren Projektverlauf zu Problemen oder Änderungen kommt, dann wollen Sie nicht, dass die Juristen beider Parteien aufeinander losgehen, sondern Sie wollen mit einem Partner im Dialog eine Lösung für das Problem finden.

Dieser Punkt mag bei einem Servicevertrag über fünf Jahre und klar bestimmten Leistungen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Er wird aber in komplexen Projekten, in denen zu Beginn die Liste der Anforderungen noch sehr dynamisch ist und eine enge, agile und für Provider manchmal unbequeme Zusammenarbeit gefordert ist von immer größerer Bedeutung. 

Die meisten Kunden sind zu Beginn nicht besonders begeistert, an den Verhandlungen teilzunehmen und wir hören nicht selten "warum so viele Provider, warum so viele Verhandlungen, warum so lange?". Nach einer guten Vorbereitung und den ersten Verhandlungen stellen viele fest, wie interessant und abwechslungsreich Verhandeln ist. Nicht selten hören wir: "Das hat richtig Spaß gemacht".

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